Gen-Pollen im Honig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem „Honig-Urteil“ Handel und Politik überrumpelt. Schon geringste Spuren gentechnisch veränderter Pollen erfordern die gesonderte Zulassung als Lebensmittel; andernfalls darf der Honig nicht verkauft werden. Honig aus Mülheim ist davon nicht betroffen.

Auslöser des Urteils (C-442/09) war die Klage eines Imkers aus Bayern, dessen Bienen Pollen der gentechnisch veränderten Maissorte Mon 810 eintrugen. Spuren davon waren auch im Honig nachweisbar. Genehmigt wurde der Maisanbau vom Land Bayern, nur hielten sich die Bienen ganz offensichtlich nicht an den bürokratisch festgelegten Sicherheitsabstand.
Die Bienenstöcke des klagenden Imkers standen 500 Meter vom gentechnisch veränderten Mais entfernt. Und ausgerechnet der Freistaat Bayern selbst ließ dort Mais zu Forschungszwecken anbauen. Nachdem der Imker die Gen-Pollen in seinem Honig entdeckte ließ er den kontaminierten Honig in einer Müllverbrennungsanlage vernichten und verklagte den Freistaat durch alle Instanzen auf Schadensersatz.

Gen-Pollen in Honig ist allerdings kein Einzelfall. Die Zeitschrift Ökotest hatte schon vor zwei Jahren genauer hingeschaut und in elf von 24 untersuchten Honigsorten Gen-Pollen gefunden.
Deutscher Honig dürfte nach heutigem Stand davon allerdings nur sehr selten betroffen sein. Auf nicht mehr als zehn Hektar ist derzeit der Anbau genmanipulierter Pflanzen gestattet. Im Ausland sieht es dagegen ganz anders aus: 66,8 Millionen Hektar werden in den USA, 25,4 Millionen Hektar in Brasilien und 22,9 Millionen Hektar in Argentinien mit Genpflanzen bestellt (Stand 2010).
Argentinien ist der größte Honig-Importeur nach Deutschland; besonders betroffen sind auch Raps-Honig-Importe aus Kanada.

Gen-Pollen im Honig lassen sich nur im Labor nachweisen – der Nachweis ist mit hohem Aufwand verbunden.
Theoretisch müsste der Honig als „gentechnisch verändert“ deklariert werden. Allerdings gilt dafür ein Grenzwert von 0,9 % am Honig. Honig enthält insgesamt nur wenig Pollen: Etwa 0,5 % beträgt der Anteil. Eine Pflicht zur Kennzeichnung scheidet damit aus.
Der EuGH hatte zudem beanstandet, dass der Honig keine Sicherheitsprüfung durchlief, nicht etwa, dass er falsch deklariert sei. Beim Honig-Verband vertraut man darauf, dass nur Pollen im Honig ist, der ohnehin von zugelassenen Gen-Pflanzen stammt. Darauf vertrauen die Landes- und das Bundesministerium bisher aber nicht. Sie gehen davon aus, dass der Pollen eine gesonderte Zulassung bedarf.
Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 80 % des in Deutschland in Verkehr gebrachten Honigs nicht mehr verkehrsfähig ist, weil es sich überwiegend um Importhonig handelt und damit aus den Regalen vieler Supermärkte verschwinden müsste. Passiert ist bisher wenig und auch in Deutschland laufen Zulassungen für den Anbau neuer Genpflanzen.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) wird das Urteil des EuGH nach eigenen Angaben gründlich prüfen und mit den für die Lebensmittelkontrolle und Lebensmittelüberwachung zuständigen Bundesländern über die zu ziehenden Konsequenzen beraten, insbesondere über die Frage, wie die Vorgaben des Gerichts für den Handel mit Honig möglichst schnell umgesetzt werden können.

Da es sich um Gemeinschaftsrecht handelt und die Auswirkungen europaweit sind, wird das BMELV parallel zu den Beratungen mit den Bundesländern die Europäische Kommission bitten, einen Vorschlag über ein einheitliches Vorgehen in den 27 EU-Mitgliedstaaten vorzulegen. Erst wenn die EU-Kommission über das weitere Vorgehen entschieden hat, wird sich zeigen, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung letztlich auf den nationalen und internationalen Honigmarkt haben kann.

Gut sind die Aussichten für Honig aus Mülheim, denn auch im weiten Umkreis existieren keine Anbauflächen für genmanipulierte Pflanzen.

Pollen im Honig

Unklar ist derzeit noch ein weiterer Punkt, der aus dem „Honig-Urteil“ resultiert: Die Kennzeichnung des Pollens als Zutat – unabhängig davon, ob er von genmanipulierten Pflanzen stammt oder nicht.
Das Gericht sieht Pollen als Zutat, obwohl weder Imker beim Zentrifugieren noch die Honigbiene beim Eintragen des Nektars Pollen bewusst hinzufügen. Die Bienen lagern Pollen sogar streng getrennt ein, nur zufällig gelangt er in geringem Maße vor dem Verdeckeln der Honigräume in die Waben mit Nektar.
Pollen ist faktisch ein natürlicher Bestandteil der Honigs, denn Imker schleudern Waben mit Honig, nicht aber mit Pollen.
Offen ist, ob künftig Pollen in seiner Gesamtheit als Zutat deklariert werden muss oder ob sogar jeder Honig auf Pollen analysiert und die Allergenität bestimmter Pollen hingewiesen werden muss. Exakte Pollenanalysen für einen Anteil von 0,5 % im Honig sorgen jedoch für Kosten, welche die zumindest in Mülheim als Hobby betriebene Imkerei stark einschränken dürfte.