Chronik des Imkervereins Mülheim an der Ruhr e. V.

Als im Juni 1943 alliierte Bomber einen Großteil der Stadt Mülheim an der Ruhr in Schutt und Asche legten, war neben den bedauernswerten Opfern der Bevölkerung, den zertrümmerten alten Gebäuden als Zeitdenkmäler, auch der Verlust einer Vielzahl an unersetzlichen Papieren und Dokumenten zu beklagen, was zum Teil viel später erst richtig zum Bewusstsein kam, als der tägliche Kampf ums Überleben einem geruhsameren Leben gewichen war.

Davon war auch der Imkerverein betroffen, der seine sämtlichen schriftlichen Unterlagen in seinem langjährigen Vereinslokal „Hotel Handelshof“ bei dem Bombardement und dem anschließenden Brand verlor und somit über seine Geburtsstunde selbst kein Zeugnis ablegen kann.

Üblicherweise beginnt das Leben eines Vereins mit der Gründungsversammlung, der Wahl des ersten Vorstands und dem Beschluss einer Satzung. Einzelheiten hierüber werden wir wohl nie mehr erfahren, denn auch alle Gründungsmitglieder, die wenn man davon ausgeht, dass man frühestens im Alter von 20 bis 30 Jahren einen Verein gründet, vor 1870 geboren sein müssten, leben längst nicht mehr. Auch von der nächsten Generation, den Ende des letzten Jahrhunderts oder um die Jahrhundertwende Geborenen, die, falls sie in jungen Jahren in den Verein eingetreten wären, vielleicht noch durch mündliche Überlieferungen etwas zur Aufhellung des Dunkels um die Geburtsstunde des Vereins hätten beitragen können, lebt kaum noch einer. Diese Generation ist bereits durch die beiden Kriege mächtig dezimiert worden.

Wir müssen uns daher an andere Fakten, möglichst offiziellen, amtlichen Ursprungs, orientieren. Da wird z. B. im Rheinischen Städteatlas IX 50 von 1989, herausgegeben vom Landschaftsverband Rheinland, bearbeitet von Kurt Ortmanns, Unna, aufgrund einer amtlichen Viehzählung für das Jahr 1873 ein Bestand von 21 Bienenstöcken in Mülheim-Stadt und von 655 Bienenstöcken in Mülheim-Land angegeben. Geht man davon aus, dass das Vororten entspricht, so kann dies als eine erstaunliche Bienendichte bezeichnet werden, die später niemals mehr erreicht wurde, wie die Zahlen späterer Viehzählungen und die späteren Aufzeichnungen des Imkervereins zeigen.

An dem Rückgang der Bienenvölkerzahlen nach 1873 ist natürlich in großem Maße die aufkommende Schwerindustrie beteiligt, welche große Landschaftsflächen vereinnahmte und der imkerlichen Nutzung entzog. Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass Ende des vergangenen Jahrhunderts auch die Landwirtschaft begann, mit neuen Methoden sowie Großmaschinen und Kunstdünger Brachen und Ödland zu nutzen und mit immer größeren Monokulturen den Bienen die Nahrungsgrundlage zu entziehen.

Anhand der Bestandszahlen für 1873 ist jedenfalls anzunehmen, dass damals für Bienen und Imker in Mülheim die Welt noch in Ordnung war, der Honig reichlich geflossen ist und den Imkern ausreichende Ernten sicher waren. Gleichzeitig kann aber auch angenommen werden, dass die damaligen Imker begannen, in Vorahnung der kommenden Umschichtungen in der Landschaft durch Industrie und Landwirtschaft und der damit befürchteten Existenznot, nach Wegen zu suchen, durch Zusammenschlüsse, Vereinigungen und Verbindung überörtlicher Art mehr Gewicht den Politikern gegenüber zu gewinnen, um an künftigen Entwicklungen beteiligt zu werden.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass ein Teil der damaligen Imkerschaft aus hochrangigen, studierten Leuten wie Ärzten, Pfarrern, Lehrern, Beamten etc. bestand. Man denke nur an die damals neuen Erkenntnisse in der Bienenzucht, die teilweise durch imkernde Pfarrer wie Gerstung, Dzierson und andere entdeckt und verbreitet wurden. Diese Leute waren gewöhnlich über die Entwicklung auf dem Lande gut unterrichtete, während der einfach Mensch infolge mangelnder Information nur selten über den heimischen Kirchturm hinaussehen konnte. So kam es, dass in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, besonders aber nach dem Kriege 1870/71 überall in Deutschland Bienenzucht- oder Imkervereine, teilweise gekoppelt mit Seidenraupenzucht, gegründet wurden.

Die ersten Hinweise über eine Vereinsgründung auf Mülheimer Boden datieren aus den Jahren 1886 und 1896 und zwar von Menden, Mintard und Saarn. Während im Stadtgebiet infolge der geschilderten Entwicklung die Anzahl der Bienenstöcke wahrscheinlich zurückgegangen war, so dass die Gründung eines Vereins kaum gerechtfertigt erschien, haben die genannten Vororte größere Bedeutung gewonnen. In der Festschrift von 1899 zum 50jährigen Bestehen des Bienen- und Seidenraupenzuchtvereins der Rheinprovinz werden auf der Seite 34 unter Regierungsbezirk Düsseldorf u. a. folgende Angaben über drei hiesige Imkervereine gemacht:

Menden Krs. Mülheim, gegr. 1886
Vorst. Becker, Lehrer, Mülheim an der Ruhr, 43 Mitglieder

Mintard Krs. Düsseldorf, gegr. 1896
Vorst. Karl Seitz, Kettwig vor der Brücke, 20 Mitglieder

Saarn Krs. Mülheim, gegr. 1896
Vorst. J. Stommel, Gerichtstaxator, Saarn, 35 Mitglieder

Der Verfasser der obigen Festschrift und gleichzeitig Redakteur der Rheinischen Bienenzeitung (RBZ), Anton Schulzen, hat also dokumentiert, dass der Imkerverein Menden der älteste und für zehn Jahre der einzige Imkerverein auf Mülheimer Gebiet war.

Wie aus dem Vereinsblatt des Rheinisch-Westfälischen Vereins für Bienenzucht Nr. 7 vom 01.07.1893 hervorgeht, hatte sich Menden diesem als Zweigverein angeschlossen. Hier erfahren wir auch, dass die Mendener Imker ihre Versammlungen in der Meisenburg abhielten und dass der Vorsteher R. Wilke Direktor auf Schloss Styrum war und in Bredeney bei Werden wohnte. Das gleiche Blatt berichtet 1895 über neue Mitglieder im Zweigverein Menden:

  • Heinrich Wülsing, Berginvalide in Holthausen
  • Unterhösels jr., Gerber in Broich
  • Wilhelm Schulten, Rentner in Menden
  • Peter Brauch, Schreiner in Broich

Eine weitere Nachricht über organisierte Imker gibt das Adressbuch für die Stadt Mülheim und Umgegend von 1902. Hier wird ein Bienenzuchtverein für die Kreise Müheim-Ruhr und Oberhausen genannt. Im übrigen bestand seit 1849 der bereits erwähnte „Bienen- und Seidenraupenzuchtverein der Rheinprovinz“ sowie die „Rheinische Bienenzeitung“ als dessen Organ. Die uns zur Verfügung stehenden wenigen Exemplare dieser Monatszeitschrift sollen helfen, den weiteren Weg der Mülheimer Imkervereine zu rekonstruieren.

Da werden z. B. in der Mai-Ausgabe der RBZ von 1902 im Rahmen der Haftpflichtversicherungsliste folgende Angaben über die Mülheimer Zweigvereine gemacht:

  • Zweigverein Saarn mit 105 Völkern
  • Zweigverein Mülheim-Oberhausen mit 48 Völkern
  • Zweigverein Menden mit 44 Völkern
  • Zweigverein Breitscheid-Selbeck mit 32 Völkern

An Versammlungsterminen sind aufgeführt:

  • Zweigverein Saarn am 04.05. um 4 Uhr nachm. bei Phillipsen, Saarn
  • Zweigverein Mülheim-Oberhausen am 13.05. um 8 Uhr abends bei Graf, Mülheim
  • Zweigverein Breitscheid-Selbeck am Pfingsmontag 19.05. um 5 Uhr nachm. bei Kehrmann, Selbeck

Themen der Veranstaltungen:

  • Künstliche Vermehrung der Völker
  • Bienenwirtschaftliches
  • Vereins-Geschäftliches

Das Thema „künstliche Vermehrung“ zeigt, dass die bewegliche Wabe sich durchzusetzen begann, die etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Dzierson eingeführt, von Berlepsch mit dem Holzrähmchen vervollkommnet und später durch die Erfindung der Schleuder zur modernen, noch heute gültigen Imkerpraxis führte. Der Mobilbetrieb ermöglichte dem Imker eine gründliche Beobachtung der Vorgänge im Bienenvolk, die er bisher nur aus bestimmten Anzeichen zu deuten versuchte, sowie eine Steigerung der Honigerträge. Dies erzeugte einen allgemeinen Wissensdurst in der Imkerschaft und den Drang, die letzten Geheimnisse des Bienenvolkes zu entdecken und für die Praxis nutzbar zu machen, war überall spürbar, so dass der Zusammenschluss zu Vereinen eine logische Folge war. Einer weiteren Verbreitung der Bienenhaltung in der Bevölkerung stand damals allerdings die lange Arbeitszeit für abhängige Beschäftigte im Wege. Man arbeitete täglich außer sonntags von morgens früh bis abends spät, so dass auch eine extensive Bienenhaltung kaum möglich war. Von Berufsimkern ist aus dieser Zeit im hiesigen Raum nichts bekannt.

Über den Fortschritt in der Bienenhaltung um die Jahrhundertwende geben einige Zahlen aus dem Bereich der Rheinprovinz Aufschluss, die ebenfalls in der Mai-Ausgabe der RBZ von 1902 erschienen sind und die geschilderten Entwicklungen bestätigen:

  • Jahr 1892:
    Zahl der Stöcke mit beweglichen Waben: 30.314
    Zahl der Stöcke mit nicht beweglichen Waben: 65.360
  • Jahr 1900:
    Zahl der Stöcke mit beweglichen Waben 74.290
    Zahl der Stöcke mit nicht beweglichen Waben 73.445

Über das Leben der Mülheimer Imkervereine und deren Aktivitäten legen auch die aus dem Jahre 1903 noch vorhandenen vier Monatshefte der RBZ beredtes Zeugnis ab:

  • Zweigverein Saarn:
    Vorsitzender Stommel, Saarn, Mitglieder 33, Völker 85 und 22 in Stabilbau
  • Zweigverein Menden:
    Vorsitzender auf dem Keller, Menden, Mitglieder 22, Völker 64 und 9 in Stabilbau, Versammlungslokal Hempelmann
  • Zweigverein Mülheim-Oberhausen:
    Vorsitzender Knorr Oberhausen, Mitglieder 20, Versammlungslokal Reichskrone Oberhausen
  • Zweigverein Breitscheid-Selbeck:
    Vorsitzender Angerhausen, Mitglieder 17, Versammlungslokal Kehrmann, Selbeck

Vom Zweigverein Mülheim-Oberhausen ist in der RBZ ein Artikel über das Thema „Kampf dem Kunsthonig“ veröffentlicht worden. Außerdem erschien eine Anzeige der Firma Haas, Saarn, Niederlage der Firma Gödden, Alpen, Handel mit Bienenzuchtartikeln.

Als Versammlungsthemen sind u. a. erwähnt Spekulationsfütterung, heute würde man dazu Reizfütterung sagen, wobei die erstere Bezeichnung wohl die treffendere ist, sowie Faulbrut, die damals weit verbreitet war und den Imkern viel Sorge bereitete. Weiter wurde die Gründung des Reichsvereins im Jahre 1902 in Weimar bekanntgemacht und die 54. Hauptversammlung des Bienen- und Seidenraupenzuchtvereins der Rheinprovinz in Cleve vom 15. bis 19. August 1903 mit Ausstellung, Verlosung, Prämierung und der Honigmarkt angekündigt sowie später über deren Verlauf und die Vorstandssitzung berichtet.
Diese Clever Hauptversammlung ist auch von den Mülheimer Zweigvereinen beschickt und besucht worden, wobei jedoch Einzelheiten nicht ermittelt werden konnten. Notgedrungen muss jetzt ein Sprung ins Jahr 1911 gemacht werden, da für die Zwischenzeit jegliche Quellen fehlen. Von 1911 liegen die Hefte der RBZ aus Februar, März, Oktober und Dezember vor, welche eine Fülle von interessantem Material über die Entwicklung der Bienenhaltung im Rheinland liefern, die ohne weiteres auf die Mülheimer Verhältnisse übertragen werden können, obwohl die Mülheimer Vereine Saarn, Menden, Selbeck und zum ersten Mal Mülheim-Ruhr nur kurz erwähnt sind. Die RBZ hatte ihre Auflage von 6.900 Exemplaren im Jahr 1903 auf 10.000 erhöhen können.

Folgende Fachthemen wurden behandelt:

  1. Von der Einfuhr ausländischer Bienen fühlen sich die Züchter der deutschen Biene geschädigt. Man fordert ein generelles Einfuhrverbot.
  2. Die Faulbrut kommt mehrfach zur Sprache. Sie scheint damals schon für alle Imker ein echtes Problem gewesen zu sein.
  3. Ein neues Buch von Dickel wird vorgestellt: „Die Lösung der Geschlechtsrätsel im Bienenstaat“.
  4. Von dem gleichen Autor wird ein Aufsatz „Alte und neue Lehre im Vergleich“ veröffentlicht. Hierin benutzt Dickel ziemlich harte Worte für seine Kotrahenten, die nicht bereit sind, seinen Erkenntnissen zu folgen.
  5. Im Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1911wird der Beitrag eines Autors Becker aus Mülheim-Ruhr erwähnt: „Muß Die Bienenzucht aus sozialen und hygienischen Gründen in Industriegegenden besonders gefördert werden?“ Leider ist nicht bekannt, zu welchem Ergebnis Herr Becker in seiner Beantwortung der oben gestellten Frage gekommen ist.

Auch aus dem Vereinsleben wird berichtet:

  1. Eine Gauversammlung des Ruhrgaues am 09.04.1911 im Zentralhotel in Oberhausen wird angekündigt.
  2. Zum ersten Male werden auch Kreisverbände genannt, ohne dass jedoch erkenntlich wird, ob und zu welchem Kreisverband die Mülheimer Vereine gehören.
  3. Die 62. Hauptversammlung mit Vorstandssitzung und Vertreterversammlung des Rheinischen Zentralvereins fand im August 1911 in Kirn/Nahe statt.
  4. Der Rheinische Zentralverein ist noch nicht dem am 03.08.1907 gegründeten Deutschen Imkerbund beigetreten, da er hinsichtlich der Organisation des Versicherungsschutzes und auch in anderen Belangen völlig gegensätzliche Auffassungen vertritt.
  5. Dagegen wurde der Rheinische Zentralverein, seine Tätigkeit und seine Einrichtungen im Preußischen Abgeordnetenhaus lobend hervorgehoben und der Kgl. Staatsregierung zur weiteren Förderung empfohlen.
  6. Für die Herbstwanderung 1910 nach Holland (wahrscheinlich in die Heide) hatte der Zentralverein, wie die RBZ berichtete, die Organisation übernommen und dafür drei Extrazüge der Eisenbahn beschafft. Über den Erfolg bzw. die Ergebnisse dieser Wanderung konnte jedoch keine Mitteilung entdeckt werden.

Im übrigen müssen wohl die letzten drei Jahre vor 1911 hinsichtlich der Witterung für Bienen und Imker katastrophal gewesen sein, wie aus einem Auszug aus der 72. Sitzung der Abgeordneten vom 11.05.1911 hervorgeht. Da diese Verhältnisse viele Imker zur Aufgabe zwangen, wird von fachkundigen Abgeordneten Hilfe des Staates gefordert. Und zwar soll die Bienenweide sowie die Imkerfortbildung, besonders der Beamten (Lehrer) und der Bediensteten der Reichsbahn, mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Auch in anderen Beiträgen wird das Jahr 1910 als Regen- oder Sündflutjahr bezeichnet. Trotz dieser schlechten Witterungsverhältnisse findet sich in der Rubrik „Angebot und Nachfrage“ der RBZ eine Anzeige von Georg Mühlenfeld aus Mülheim-Dümpten, Zweigverein Oberhausen, der 3 Ztr. Hellen Schleuderhonig zum Preis von 78,- Mark zum Verkauf anbietet.

Daß man schon damals bestrebt war, auch über die eigenen Grenzen hinaus zu denken, zeigt ein Beitrag der RBZ: „Bienenwirtschaftliche Streifzüge“. Aus verschiedenen Ländern Europas und anderer Kontinente bis nach Fernost werden interessante Fakten der Bienenhaltung und –zucht beschrieben.

Breiten Raum in der RBZ des Jahren 1911 nimmt ein ausführlicher Bericht über Verhandlung und Urteil in einem Honigfälscherprozess in Hamburg ein. Es lohnt sich etwas näher darauf einzugehen: Der Fälscher, eine Hamburger Nektarienenfabrik, deren Eigentümer im Cölner Zweigverein und damit auch im Rheinischen Zentralverein Mitglied war, sowie ein Honiggroßhändler und ein Redakteur einer Konstanzer Imkerzeitung wurden zu hohen Geldstrafen verurteilt. Trotz Warnung durch den Generalsekretär des Rheinischen Zentralvereins hatte sich der damalige Deutsche Imkerbund nicht frühzeitig und eindeutig von den Fälschern distanziert, ja, es fehlte nicht viel und der betrügerische Redakteur wäre Vorsitzender der Honig- und Rechtsschutzkommission im DIB geworden. Im Laufe des Prozesses wurde zum Ausdruck gebracht, dass man in ähnlichen früheren Gerichtsverhandlungen, die bereits seit dem Jahre 1903 in und wieder geführt werden mussten, noch nicht in der Lage war, die Fälschung zu beweisen. Erst 1908 konnte das Reichsgesundheitsamt durch chemische Analyse den Nachweis der Fälschung erbringen.

Die Jahre bis zum Ausbruch des Krieges 1914 dürften ohne große Ereignisse in den Vereinen lediglich durch stetige Weiterentwicklung in Forschung und Praxis der Bienenzucht vorübergegangen sein. Der langdauernde Krieg brachte Not, wie auf allen Gebieten, auch in der Imkerei, und Ende 1918, als Frieden geschlossen wurde, dürfte die Zahl der Bienenvölker in Deutschland, die während des Krieges noch zugenommen hatte, stark geschrumpft und das Ergebnis vieler Jahre Aufbauarbeit großenteils zunichte gemacht worden sein.

Zur Lage der Bienenhaltung und des Vereinswesens nach dem Kriege kann man bei der RBZ des Jahres 1919 einige bezeichnende Mitteilungen entnehmen. Die Ausgabe Juli/August beginnt mit dem Vermerk „Von der Zensur genehmigt“. Der Zensor war die französische Besatzungsarmee. Der Mitteilung über einen erfreulichen technischen Fortschritt bei der RBZ, Redakteur Anton Schulzen hatte einen Fernsprecher bekommen, steht die Verpflichtung der Imker gegenüber, Honig und Wachs abzuliefern, wobei im Falle der Nichterfüllung des Solls mit einer Sperrung des Winterzuckers gedroht wird. Die Vergütung für den abzuliefernden Honig entspricht dem Preis von Molkereibutter. Das Entgeld für Wachs beträgt 12 Mark pro kg.

Der Monatsanweiser berichtet von vielen Rapsfeldern, die infolge des Fettmangels im und nach dem Krieg entstanden sind. Seine Ausführungen zur Heidewanderung sind auch aus heutiger Sicht zumindest interessant: Viele Züchter würden die Heidewanderung als Vorbeugungsmittel gegen Faulbrut betrachten, da durch die Aufregung in den Völkern in erhöhtem Maße Ameisensäure erzeugt würde.

In späteren Heften des Jahres 1919 wird die Auflagenhöhe der RBZ mit 13.000 angegeben. Die Zensur endete im Oktober, während die Pflichtablieferung von Honig und Wachs sowie die Zuteilung von Winterzucker wegen der allgemeinen Bewirtschaftung weiterhin bestand. Der Preis für ein Pfund Honig wurde damals mit 6,50 Mark angegeben.

Zum ersten Mal findet man einen Bericht über den Lehr- und Versuchsbienenstand des Rheinischen Zentralvereins in Mayen, der auch für uns heutige Vereinsmitglieder von Interesse ist. Der erste Lehrgang für fortgeschrittene Imker fand dort statt. Der Anfang in Mayen muß im Hinblick auf den gerade beendeten Krieg sehr bescheiden gewesen sein. Um so erstaunlicher ist der damalige Entschluss, trotz der miserablen wirtschaftlichen Situation den Lehrbienenstand zu einem Institut auszubauen. Dies geht aus einem Aufruf hervor, in welchem alle Zweigvereine zu Spenden anlässlich des Jubiläums des damaligen Vereinspräsidenten Direktor Carl Schneider aufgefordert wurden. Die gespendeten Beträge sollen für den Ausbau verwendet und in der RBZ veröffentlicht werden.

Aus unserem Bezirk wurden folgende Spender namentlich erwähnt:

  • H. W. Mülheim-Ruhr 58 Mark
  • Lehrer Klinkert, Mülheim 10 Mark
  • Zweigverein Menden 10 und 20 Mark
  • Zweigverein Mülheim-Saarn 10 DM

Gleichzeitig mit der Spendenaktion ist der Beitrag an den Zentralverein auf drei Mark je Imker erhöht worden.

Trotz oder auch gerade wegen des unaufhaltsamen Vordringens der Mobilbeute wurde in der RBZ über das Speilen eines Strohkorbes eingehend berichtet. Im Februar 1920 beziffert die RBZ ihre Auflage mit 15.000 Exemplaren. Aus dem Bericht über die Vorstandssitzung des „Bienenzüchtervereins der Rheinprovinz e. V. „ am 28.12.1919 in Mayen darf man schließen, dass der Ausbau des Lehr- und Versuchsbienenstandes weitere Fortschritte gemacht hat. Dem Zentralverein sind nunmehr 460 Zweigvereine mit 15.500 Mitgliedern angeschlossen.

Im gleichen Heft der RBZ findet sich eine Notiz über neue Mitglieder des Zweigvereins Menden. Da die namentlich Genannten in Mülheim und Raadt wohnen, kann vermutet werden, dass der Mülheimer Verein nach dem Krieg noch nicht wieder aktiv geworden ist oder sich dem Mendener Verein angeschlossen hat. Diese Annahme wird bestärkt durch einen Bericht in der RBZ aus dem Jahre 1921 über die Versammlung des Kreisverbandes Essen mit den Vereinen Esse-Borbeck, Essen-Rellinghausen, Mülheim-Menden, Mülheim-Saarn, Duisburg und Kettwig am 18.12.1920 in Essen.

Duisburg und Saarn feierten 1921 ihr 25jähriges Jubiläum, eine Bestätigung des bereits erwähnten Saarner Gründungsjahrs 1896. Beide Vereine, die über Nachwuchsmangel klagen, haben durch Sonntagskurse des Kreisverbandes 1920 in Mülheim und 1921 in Duisburg mit gutem Erfolg neue Mitglieder geworben. Allgemein wurde in der Kreisversammlung festgestellt, dass infolge der Ausbreitung der Industrie die Trachtverhältnisse immer schlechter werden. Man beschloss daher, ein Verzeichnis aller honigenden Pflanzen zu erstellen und den Gemeinden, Zechen und Eisenbahnen mit der Bitte um Anlage entsprechender Pflanzungen auf ihrem Gelände zu überreichen. Jeder Imker sollte ebenfalls soweit wie möglich diese Pflanzungen auf eigenem Grund und Boden vornehmen. Der große Wert der Stachelbeere wegen ihrer frühen Blütezeit wurde hierbei besonders hervorgehoben.

Aus der RBZ von 1921, die inzwischen eine Auflage von 17.800 Exemplaren erreicht hat, geht weiter hervor, dass der Zweigverein Mülheim-Menden seine Versammlung am 20.02.1921 bei Gastwirt Wolf im Kölner Hof, Mülheim, Hagdorn, abhält. Der Tagungsort in der Altstadt Mülheims lässt darauf schließen, dass die meisten Mitglieder aus dem Stadtgebiet und den Vororten rechts der Ruhr kommen und dass Menden nun endgültig die Rolle des Stadtvereins übernommen hat. Auch der Kreisverband Essen veranstaltete zusammen mit Mülheim-Menden am 13.03.1921 eine Versammlung im Kölner Hof.

Zum ersten Mal wird die „Rheinische Imkerschule zu Mayen“ in der RBZ erwähnt. Dort finden Kurse für Anfänger, Fortgeschrittene und Vereinsvorsteher statt. Die Entdeckungen Dziersons über die Parthenogenesis der Honigbiene findet durch die intensive Schulung der Imker im Landesverband über Kreise und Vereine weitgehende Verbreitung. Überall wird der Fortschritt sichtbar und eine langsame Erholung von den Rückschlägen des Krieges ist festzustellen. Doch wurden den Imkern für 1921 nur 15 Pfd. Zucker pro Volk zugeteilt, der Staat ist geizig wie eh und je. Eine Meldung, die auch in unseren Jahren aktuell sein könnte, besagt, dass Weihnachten 1920 das Wetter so mild war, dass die Bienen schon ihren ersten Reinigungsflug machten.

Wenn man nun dachte, dass der Fortschritt in der Imkerei und in der Organisation ungestört weitergehen würde, so musste man in den nächsten Jahren eine herbe Enttäuschung erleben. Inflation und Rezession in der Wirtschaft sowie Aufgabe der Imkerei infolge von Missernten und Faulbrut, aber auch Absprung einiger sogenannter Zuchtimker brachten Rückschläge und Rückgänge der Mitgliederzahlen, wie sie unmittelbar nach dem Krieg schon einmal aufgetreten waren. Positiv kann allerdings die Einführung des DIB-Honigglases im Jahre 1926 vermerkt werden.

Im November 1928 meldete die RBZ einen Auflagenrückgang auf 11.000 Exemplare. Ein Jahresbericht der Lehr- und Versuchsanstalt für Bienenzucht „Rheinische Imkerschule“ zu Mayen wurde veröffentlicht. Der Deutsche Imkertag fand 1928 in Köln statt. Der Bienenzuchtverein Mülheim-Saarn veranstaltete in der Zeit vom 15. bis zum 20. September 1928 eine bienenwirtschaftliche Ausstellung im Saal der Gastwirtschaft von der Bey. Wie der Vorsitzende Evers in seiner Ansprache betonte, war dies nach 22 wechselvollen Jahren wieder die erste Ausstellung des Vereins. Gleichzeitig fand in Saarn die Kreisversammlung der Vereine „Untere Ruhr“ unter der Leitung des Kreisvorsitzenden Nierhaus statt. Der Verein Mülheim-Menden gab seine Versammlung am 11. November 1928 um 5 Uhr nachmittags im evangelischen Vereinshaus bekannt. Als Themen wurden u. a. Vereinsbienenstand und Heidewanderung genannt.

Die bereits aufgeführten Rückschläge der Bienenzucht in den 20er Jahren sind in einem Beitrag „Bienenzucht in der Volkswirtschaft“, erschienen im Märzheft 1930 in der RBZ, näher definiert worden und zwar anhand der Entwicklung der Völkerzahlen im Deutschen Reich.

Hier die Übersicht:

  • Im Jahre 1913: 2.229.000 Völker
  • Im Jahre 1921: 1.930.000 Völker
  • Im Jahre 1925: 1.550.000 Völker
  • Im Jahre 1927: 1.635.000 Völker
  • Im Jahre 1928: 1.800.000 Völker

Der Rückgang wird neben den bereits genannten Gründen auf Schwierigkeiten in der Zuckerbeschaffung zurück geführt. Die schlechte Lage der Imkerei ist auch Anlass dafür, dass in der RBZ über den Absatz deutschen Honigs als Markenartikel im Einheitsglas mit Gewährverschluss, über Werbung und Marktforschung laut nachgedacht wird. Der billige Auslandshonig als Konkurrenz zwingt die deutschen Imker zum Handeln.

Wieder wird eine Versammlung des Kreisverbandes „Untere Ruhr“ angezeigt, diesmal im Bahnhof Mülheim-Broich u. A. mit den Vereinen Mülheim-Saarn, Mülheim-Menden und erstaunlicher Weise Mülheim-Ruhr, der plötzlich wieder auftaucht. Der Vorstand besteht aus Köppen, Duisburg-Meiderich, 1. Vorsitzender, Schneider, Essen-Borbeck, Schriftführer und Springhoff, Mülheim-Dümpten, Kassierer.

Obwohl keine Zahlen vorliegen, ist anzunehmen, dass auch die Mülheimer Vereine vom Rückgang der Mitglieder- und Völkerzahlen betroffen waren, denn gerade im Ruhrgebiet wirkten sich einige der Ursachen wie Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit besonderes stark aus. Bekanntlich führten diese Missstände u. a. auch in die Diktatur und so sieht man die Rheinische Bienenzeitung 1935 mit einem neuen, modernen Gesicht, aber auch im Inneren stark verändert.

Das tausendjährige Reich war entstanden. Herausgeber war jetzt die Reichsfachgruppe Imker, Landesgruppe Rheinland, der Schriftführer hieß C. Körner und der Verlagsort war Duisburg-Meiderich. In vielen Artikeln, auch rein fachlichen Inhalts, fand man einen starken politischen Zungenschlag. Aber trotz aller Politisierung, u. a. waren Vereine zu Ortsfachgruppen gemacht worden, sind hochklassige Fachaufsätze von allseits anerkannten Praktikern und Wissenschaftlern publiziert worden. Dr. Goetz war Leiter der Imkerschule Mayen und betrieb nach einem Jahresplan die Weiterbildung von Mitgliedern aller Ortsfachgruppen.

1935 war das Jahr, in dem das Saargebiet ins Reich zurückkehrte und die saarländischen Imker in die Reichsfachgruppe aufgenommen wurden. Aus diesem Anlass erinnerte man daran, dass die Saarimker 1924 spontan mit mehreren tausend harten französischen Franken den Bau der Imkerschule Mayen unterstützten, als dieser wegen Geldmangels infolge der Inflation ins Stocken geriet, und dadurch zu Ende geführt werden konnte. Man kann nicht leugnen, dass aus allen Zeilen eine fruchtbare Aktivität der Imker zu erkennen ist, die anscheinend auch von Regierung und Behörden gefördert wurde. Kein Zweifel, die Regierung hatte den Wert der Imkerei für die Erlangung der Autarkie in der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung erkannt.

Die Reichsfachgruppe im Reichsnährstand in Berlin hatte die Imkerschaft inzwischen straff durchorganisiert. Bis zum letzten Freizeitimker wurde jeder für die Erzeugungsschlacht im sogenannten Vierjahresplan eingespannt. Alle und jedes wurde von oben befohlen. Abweichende Meinungen wurden unterdrückt und machten verdächtig. Da der Staat offensichtlich die Imkerei großzügig unterstützte, machten viele Imker den Kurs mit, wobei die Politik als notwendiges Übels betrachtet oder ganz verdrängt wurde. Man kann von einer regelrechten Aufbruchstimmung sprechen, die wahrscheinlich von gewissen Leuten ganz geschickt in die imkerliche Fachpresse hineingebracht worden ist.

In Mülheim existierten 1935 noch die beiden OFG (Ortsfachgruppen) Saarn und Menden, die beide Heidewanderungen nach Reken durchführten. Menden hielt seine Versammlungen nun im Hotel Handelshof ab. Aber auch die OFG Breitscheid-Selbeck wird noch erwähnt, die mehr zum Bergischen tendierte obwohl Selbeck inzwischen nach Mülheim eingemeindet war.

Das Jahr 1934 muss ein gutes Honigjahr gewesen sein. Im Kreis Mülheim sind 88,2 % der Durchschnittsernte des Landes geschleudert worden. Die höchste Ernte pro Volk betrug 28 kg. Viele Imker des Rheinlandes boten Honig in der RBZ zum Preis von RM 105,- je Zentner an. Eine Edelkönigin kostete 4,- RM.

Ab 1936 findet man nur noch einen Verein bzw. die OFG Mülheim-Ruhr in unserer Stadt, so dass angenommen werden kann, dass Menden und Saarn sich wahrscheinlich auf Druck der Obrigkeit vereinigt haben. Man wählte die Gaststätte Fürst Bismarck, später das Hotel Handelshof als Versammlungslokal, das dann, wie bereits erwähnt, im Kriege total zerstört wurde, wobei der Imkerverein alle Unterlagen verlor.

Es muss noch nachgetragen werden, dass der Verein Breitscheid-Selbeck sich noch ein Jahr halten konnte. 1937 war er aber auch verschwunden. Die Gleichschaltung hatte mit Macht überall zugeschlagen und öffnete vielen Imkern über die wahren Ziele des Systems die Augen. In der RBZ wurden für 1937 eine Aufstockung der Völkerzahl in Deutschland um 170.000 gemeldet. Die OFG Mülheim zeigte den Tod ihres Ehrenvorsitzenden Karl Arnold am 12.12.1936 an. Die Honigernte in Mülheim betrug 65 % des Durchschnittsertrages der Rheinprovinz.

1938 begann in Deutschland der zweite Vierjahresplan. Die Reichsfachgruppe nahm dies zum Anlasse mit Lob, Mahnung, Forderung und Drohung zur Vermehrung der Völker, Verbesserung der Bienenweide usw. aufzurufen, um die sogenannte „Erzeugungsschlacht“ zu gewinnen. Daneben waren aber auch gute Fachartikel u. a. von Alberti und Goetze zu finden. Für uns ist heute interessant, dass damals schon neben der Nigra als Landrasse Krainer Bienen gezüchtet wurden. Die OFG Mülheim meldete mit nur 3 % des Landesdurchschnitts eine sehr schlechte Honigernte.

1939 begann der Krieg. Die RBZ gab ihre Auflage mit 12.800 an. Der Verlagsort war jetzt Essen-Steele. Im Rheinland gab es ein gutes Waldtrachtjahr. Die Völkerzahl im Landesverband betrug ca. 131.000, in Mülheim 348. Ab 1940 sind die Hefte des RBZ merklich dünner geworden. Nicht nur der Winterzucker war rationiert, sondern auch das Zeitungspapier. Aufrufe zur Völkervermehrung, zum Pflanzen von Obstbäumen, zum Abliefern und Spenden von Honig und Wachs erschienen laufend. Opferbereitschaft wurde gefordert. Parteigenossen und Gleichgesinnte versuchten mit Gewalt ihren Einfluss in den Ortsfachgruppen durchzusetzen. So ist von einigen Mitgliedern des Mülheimer Vereins mündlich überliefert, dass in einer damaligen Versammlung ein tüchtiger Imker und Züchter, der einen Vortrag über Königinnenzucht halten sollte, am Reden gehindert wurde, da er, wie allgemein bekannt war, eine abweichende politische Richtung vertrat. Im übrigen führte die OFG Mülheim 1940, im zweiten Kriegsjahr, noch eine Heidewanderung durch, da die letzten Ernten im hiesigen Bezirk sehr schlecht waren.

Im Jahre 1942 sah man schon an den dünnen Heften der RBZ, dass die Lage sich rapide verschlechtert hatte. Alles Überflüssige, vor allem die politischen Artikel, waren weggefallen. Damit war auch die penetrante Selbstbeweihräucherung der Bonzen verschwunden. Auch die Ortsfachgruppen waren geschrumpft, da viele Mitglieder zur Wehrmacht eingezogen waren. Mülheim gab eine Versammlung am Vereinsbienenstand, der bisher noch nicht erwähnt, wurde bekannt. In der Totentafel der RBZ waren viele Imker aufgeführt, die als Soldaten gefallen waren. Der weitere unaufhaltsame Weg ins Chaos kann in Geschichtsbüchern nachgelesen werden.

Diesmal war der Zusammenbruch im Bereich der organisierten Imkerei so groß, dass sich in Mülheim erst 1948, dem Jahr der Währungsreform, einige Imker zusammenfanden, um den alten Verein wieder aufleben zu lassen. Aus diesem Jahr liegt auch die erste Namensliste der Mitglieder vor, eine Schulkladde mit schlechtem Papier, die auch Beitrags- und sonstige Kostenabrechnungen enthält. Es sind 81 Mitglieder, die aus allen Stadtteilen und Vororten stammen, aufgeführt. Die zwangsweise Vereinigung aus dem Dritten Reich hat scheinbar gehalten. Die hohe Mitgliederzahl ist damit zu erklären , dass damals viele Vertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten nach Mülheim gekommen waren, die etliche Imker in ihren Reihen hatten. Es werden aber auch einige neue Mitglieder hinzugekommen sein, die wenig Beziehungen zu Bienen hatten, aber den Versuch machten, durch Imkerei die mageren Lebensmittelrationen etwas aufzubessern. Einige Jahre später hatte sich die Mitgliederzahl auf 60, dann auf 40 normalisiert. Die Spreu hatte sich vom Weizen getrennt.

Leider hat man erst im November 1955 begonnen, Versammlungsprotokolle zu schreiben, da vermutlich die Beschaffung oder der Bau von Beuten sowie Reparaturen an den Bienenständen für jeden Imker Vorrang hatten. Es ist heute kaum noch zu begreifen, wie unsere Imker in den Großstädten ihre aus Kriegswirren übriggebliebenen Völker in den ersten Nachkriegsjahren durchgebracht haben. Honig konnte kaum oder gar nicht entnommen werden und eine Zufütterung von Zucker von den Hungerrationen der Menschen war unmöglich. Erst nach der Währungsreform 1948 wurde die Bewirtschaftung der Nahrungsmittel nach und nach aufgehoben, so dass auch wieder Überwinterungszucker zur Verfügung stand. Nicht zu vergessen sind auch die Schwierigkeiten durch die alliierten Besatzungsmächte, die zunächst jede Vereinstätigkeiten verboten sowie teilweise Ausgangssperren verhängten. Später wurden nach eingehenden Prüfungen Genehmigungen für Neugründungen oder Weiterführungen erteilt. Auch die im Kriege zerstörten öffentlichen Verkehrsmittel trugen dazu bei, dass zunächst kein geordnetes Vereinsleben möglich war.

Der Chronist muss, bevor er ab 1955 die Vereinsniederschriften benutzen kann, noch einmal die Rheinische Bienenzeitung vom Juni 1953 zur Hilfe nehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Schädlingsbekämpfung im Obst- und Kartoffelanbau eine Gefährdung der Bienen in jedem Falle vermieden werden muss. Die Imker hoffen, dass durch das neue Beimischungsgesetz für Margarine größere Flächen im Rheinland mit Raps angebaut und damit bessere Frühtrachten möglich werden. Für die Umstellung von Völkern in den Flugmonaten wird Lachgas empfohlen. Um der im Rheinland grassierenden Tracheenmilbe Herr zu werden, sollen Sperrgebiete und Reihenuntersuchungen der Wintertotenfalls vorgeschrieben werden. Die Jahreshauptversammlung des Imkervereins Mülheim an der Ruhr wird auch kurz erwähnt. Es fanden Ehrungen langjähriger Mitglieder, u. a. von Wilh. Springhoff und Carl Marquardt (1. Vorsitzender) statt. Im übrigen wurde in der RBZ schon wieder kräftig von Herstellern und Händlern von Bienenzuchtgeräten geworben. Die Zeiten des sogenannten Wirtschaftswunders nahmen ihren Anfang.

Mit den Protokollen ab 1955 wurde ein geordnetes Vereinsleben belegt. Neben dem bereits genannten Vorsitzenden Marquardt fungierten Baumann als 2. Vorsitzender, Mannhardt als Kassierer und Müller als Schriftfüher. Tagungslokal war der Schützenhof (Ecke Saarner-Prinzeß-Luise-Str.). Der Verein gehörte zum Kreisverband Ruhrgroßstädte, dessen Vorstand von Sennenberg, Duisburg, und Schulte-Vogelheim, Essen, gebildet wurde. Man hatte den Eindruck, dass durch den Krieg großer Nachholbedarf an Wissen und Kenntnissen über Bienenhaltung und –zucht entstanden war. Deshalb war der Verein bestrebt, trotz geringer verfügbarer Mittel, der Fortbildung aller Mitglieder mit der Behandlung von Fachthemen in Schulungskursen sowie einer jährlichen Studienfahrt zu Instituten und Standbesichtigungen bei Mitgliedern größeren Raum zu geben.

Der Verein hatte sich 1957 aber bereits so weit stabilisiert, das er ohne weitere Folgen den tragischen Tod des allseits hochgeschätzten Carl Marquardt überstand, der auf einer Dienstfahrt für den Verein tödlich verunglückte. Ein würdiger Nachfolger fand sich sofort, der als erstes veranlasste, das für Vorstandsmitglieder eine ausreichende Unfallversicherung abgeschlossen wurde. Der Verein hatte nun 54 Mitglieder. 1957 hatte sich die Tracheemilbe im Rheinland weit verbreitet und stellte eine ernste Gefahr für unsere Bienen dar. Obwohl sie in Mülheim noch nicht aufgetreten war, ließ der Verein vorsorglich Seuchenwarte ausbilden, die jährlich Bienenproben aus dem Wintergemülle entnahmen und nach Mayen zur Untersuchung schickten. Auch mit dem Aufbau einer Vereinsbücherei zur Weiterbildung wurde begonnen. Leider musste das alte Vereinsbienenhaus, das während des Krieges baufällig geworden war, ganz aufgegeben werden.

Die Studienfahrten in den nächsten Jahren führten zum Institut Celle, nach Mayen zur Imkerschule, zur Großimkerei Bratschke in Heiligenhaus, zum Bienenstand der Gruga in Essen und zum Bienenkundlichen Institut Münster. Der Staat bewilligte den Imkern 1947 pro Volk 10 Pfund steuerfreien Zucker. Als Hilfe für den Imker war es nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und konnte den Ernteausfall infolge einiger Katastrophenjahre bei weitem nicht ausgleichen.

Großzügiger und wirkungsvoller war da schon der Zuschuss der Stadt Mülheim an der Ruhr von DM 500,-- für die Vereinskasse, der manchem Mitglied den Mut zum Weitermachen gab. Gleichzeitig erklärte sich das Gartenamt der Stadt auf Bitte des Vereins bereit, bei Neuanpflanzungen in Anlagen und auf Friedhöfen weitgehend Bienengehölze und –pflanzen zu berücksichtigen. Der Landesverband Rheinland begann 1959 mit Hilfe von Landesmitteln die Förderung der Zucht und Verbreitung der Carnika-Rasse kräftig voranzutreiben, um die alte Landrasse und deren Bastarde zu verdrängen. Die Fördermittel sollten dem einzelnen Imker, der Reinzuchtköniginnen vom anerkannten Züchter bezieht, direkt zugute kommen. Ziel war es, eine einheitliche, leistungsfähige C-Biene zu verbreiten und rein zu erhalten. Dem gleichen Ziel hatte sich auch der von 35 Imkern im Kreisverband Ruhrgroßstädte gegründete Züchterring verschrieben. Die Studienfahrt des Kreisverbands führte zum Bieneninstitut der Universität Marburg. Im übrigen war 1959 ein Dürrejahr mit schlechten Ernte- und Zuchtergebnissen.

Die Mitgliederzahl des Vereins hatte sich auf 43 vermindert. Auch nach 1960 sank die Zahl der Mitglieder weiter bis auf 30, wobei das hohe Durchschnittsalter der Mitglieder aber viel gravierender war. Werbung um Nachwuchs wurde dringend erforderlich. Im Jahre 1961 hatte der Vorstand die letzte Jahresversammlung des Vereins zu einem Film- und Vortragsabend gestaltete und Freunde und Angehörige der Mitglieder dazu eingeladen. Die Resonanz bewirkte, dass diese Jahresabschluss- oder Weihnachtsversammlung bis heute beibehalten wurde.

Mit den sinkenden Mitgliederzahlen in diesen Jahren trat gleichzeitig ein Flaute im Vereinsleben ein. Scheinbar wurde die Arbeit des Vorstands nicht entsprechend gewürdigt, denn die Versammlungen waren nur schwach besucht. Als Grund nannte man in einer Vereinsniederschrift ein Überangebot an Versammlungsterminen im Ortsverein und Kreisverband. Die Gründe dürften aber vielfältiger gewesen sein. Die wichtigste Ursache wird, wie man heute im Rückblick objektiv feststellen kann, in der aufkommenden Hektik der Zeit gelegen haben. Man befand sich in der Zeit des Wiederaufbaus und Wirtschaftswunders. Die Konjunktur boomte und die Arbeitnehmer der Industrie, des Handwerkes und Gewerbes machten trotz der offiziellen 48-Stunden-Woche Überstunden soviel sie konnten und durften, denn auch in den privaten Haushalten fand ein Wiederaufbau statt, der nur mit zusätzlichem Geld und zusätzlicher Zeit zu schaffen war. Kurz und gut, unsere im Berufsleben stehenden Mitglieder waren am Ende einer Arbeitswoche so abgespannt, dass sie neben der Feierabendarbeit am Bienenstand kaum noch Zeit und Kraft für Versammlungen erübrigen konnten. Natürlich war auch die schon erwähnte Überalterung des Mitgliederbestandes eine Ursache für die rückläufige Entwicklung, die mit 23 Mitgliedern 1971 ihren tiefsten Stand erreichte.

Auch der Landesverband meldete ca. 20 % Mitgliederverlust. Viel wurde über die Werbung junger Imker debattiert, aber die Folge des verringerten Mitgliederbestandes war auch ein verringertes Beitragsaufkommen, so dass entsprechende Aktionen kaum durchführbar waren. Nur auf Kreisebene konnten einige Weiterbildungs- oder Werbeveranstaltungen organisiert werden. Der Verein war so arm, dass, wenn im Jahr zwei Todesfälle von Mitgliedern vorkamen, durch die übliche Kranzspende bereits zwei Drittel der Jahreseinnahmen verbraucht waren. Hinzu kam, dass unsere Imker durch einige schlechte Trachtjahre nur minimale Ernten erzielten und einige ernsthaft kapitulieren wollten.

Mehrere Mitglieder hatten besonders darunter zu leiden, dass ihre Stände bzw. ihre Trachtmöglichkeiten durch neue Siedlungen beeinträchtigt wurden. Die Stadt dehnte sich in die Außenbezirke aus. Wie beim Beginn des Industriezeitalters im vorigen Jahrhundert wurde die freie Landschaft, diesmal durch Wohnungsbebauung, vernichtet. Viele Menschen, Vertriebene, Aussiedler und Ausgebombte mussten ein Dach über dem Kopf haben und an Grünanlagen zwischen den Neubauten dachte damals kaum jemand. Durch das Heranrücken der Wohnsiedlungen an bestehende Bienenstände ergaben sich mehrfach Konflikte, die z. T. durch Leserbriefe an die örtliche Presse in die Öffentlichkeit gelangten und ein Eingreifen des Vereins mit sachlichen Argumenten zur Beruhigung der Gemüter erforderlich machte. Viele Stadtbewohner hatten aus Unkenntnis wenig Verständnis für Insekten und reagierten in ihrer Angst vor dem Gestochenwerden mit Aggressionen gegen Bienen und Imker.

Unser Imker waren damals noch mitten in der Umstellung auf eine sanftmütige Carnicabiene begriffen und trotz jährlichen Bezugs von Reinzuchtköniginnen war die Verdrängung des alten Rassemischmasches noch nicht völlig gelungen. Einige wenige Bastarde, die auf jede Störung mit Stichen reagierten, machten den Imkern das Leben schwer. Es war viel Aufklärungsarbeit vom Verein gefordert, um ein Miteinander von Mensch und Biene zu ermöglichen. Wenn man zurückblickend die Zeit des Gegeneinander mit den Besucherströmen auf dem kleinen Lehrbienenstand in der Landesgartenschau Müga 1992, wo Familien mit Kleinkindern sich völlig frei zwischen Bienen und Beuten bewegten und wissbegierig alles erfragten, vergleicht, so kann man mit Recht feststellen, dass die langwierige, zähe Aufklärungsarbeit sowie die gezielte Zucht über Jahre hinweg Früchte getragen haben.

Nun muss allerdings auch berichtet werden, dass trotz der geschilderten Widrigkeiten in den sechziger Jahren die Vereinsarbeit, soweit es die Mittel erlaubten ungebrochen weitergeführt wurde. 1964 richtete der Verein bei einem Imkerkollegen in Dümpten mit den vom Landesverband gestellten Geräten, Stockwaage und Wettermessgeräte, einen Beobachtungsstand ein. Einige Kollegen begannen durch Wanderungen in die Rapsblüte nach Mintard oder in den Kreis Niederberg ihre Ernteerträge wesentlich zu verbessern. Die allgemein aufkommende Motorisierung machte es möglich, Wanderungen mit eigenen Fahrzeugen durchzuführen. Dieser Erleichterung des Wanderns standen die neuen strengen Wanderbestimmungen des Verbandes zur Verhinderung der Ausbreitung der Tracheenmilben-Seuche als Erschwernis gegenüber. Die Tracheenmilbe ist übrigens in unserem Vereinsgebiet nicht aufgetaucht, so dass zusätzliche Arbeit mit Bekämpfungsmaßnahmen erspart blieb.

Den Imkern hat der mit Eisenoxyd, später mit Oktosan vergällte steuerfreie Einwinterungszucker viel Ärger bereitet. Wegen einiger Steuerpfennige pro Volk und des Misstrauens des Staates gegenüber der Imkerschaft hatten viele Kollegen ihr Futtergefäße versaut und mussten manchmal im Frühtrachthonig eine rote Färbung feststellen. Die meisten Imker haben dann auf dieses Steuergeschenk verzichtet und sich ihren Einwinterungszucker zum vollen Preis im Handel besorgt.

Das Jahr 1967 hat den Mülheimer Imkern eine gute Honigernte beschert, so dass überall wieder Mut für die Zukunft einkehrte. Wichtig war in diesen Jahren, dass die Stadt Mülheim unsere Vereinskasse jährlich mit einem Zuschuss bedachte, der immer ein bescheidenes, sparsames Vereinsleben ermöglichte. Diese Hilfe unserer Stadt, um die uns mache Nachbarvereine beneideten, geht auf den langjährigen Oberbürgermeister in der Nachkriegszeit Heinrich Thöne zurück, der immer ein offenes Ohr für Kleintiervereine hatte und den viele alte Mülheimer noch in guter Erinnerung haben.

Im Jahr 1965 war der Verein in eine kritische Lage gekommen, als plötzlich der 1. Vorsitzende verstarb und der 2. Vorsitzende schwer erkrankte. Aus dem kleinen Kreis der aktiven Mitglieder fühlte sich keiner in der Lage, sei es wegen beruflicher Überlastung oder aus Alters- und Gesundheitsgründen, den Vorsitz mit der damit verbundenen Arbeit und Verantwortung zu übernehmen. Letztendlich war Imkerkollege Pade, eines der ältesten Mitglieder und schon jahrelang im Vorstand tätig, bereit, das undankbare Amt anzunehmen, um den Verein lebensfähig zu erhalten, wobei er jedoch erwartete, die Vereinsgeschicke baldmöglichst in jüngere Hände übergeben zu können. Das Vereinsschiff kam wieder langsam in Fahrt. Obwohl einige jüngere Mitglieder zu uns stießen, blieb doch die Gesamtzahl weiterhin gering, so dass der Versammlungsbesuch von 6 - 10 Mitgliedern ziemlich deprimierend war. Um handlungsfähig zu bleiben, wurde der Beitrag erhöht, damit u. a. auch die Vereinsbücherei aufgestockt werden konnte, wenn wertvolle neue Fachbücher erschienen.

Im übrigen wurden in dieser Zeit die Forschungsergebnisse von Prof. von Frisch über die „Sprache der Bienen“ veröffentlicht. Bei Forschungen über Drohnen tauchte zum ersten Mal der Begriff „Drohnensammelplatz“ auf. Im Institut Oberursel führte man künstliche Besamungen von Bienenköniginnen mit ca. 80 % Erfolg durch. Von Mayen, auf Betreiben von Herrn Dr. Dreher, wurde 1969 eine Generaluntersuchung der Bienenvölker im ganzen Landesverband veranlasst, um dann die Bekämpfung der Tracheemilbe zu koordinieren, was dann schließlich zur Ausrottung des Parasiten in den nächsten Jahren führte.

Der Generationswechsel im Vorstand des Vereins fand 1972 statt, als Kollege Josef Mülheims nach einstimmiger Wahl den Vorsitz übernahm. Die Aktivitäten verstärkten sich und die Mitgliederzahl erhöhte sich langsam. Langjährige aktive Mitglieder wurden geehrt und eine Studienfahrt nach Holland zum Abroisiushof war für alle Teilnehmer, Mitglieder und Angehörige, ein Erlebnis. 1975 hatte der Verein 26 Mitglieder. Die Hektik der Nachkriegszeit schien allgemein überwunden zu sein und in eine besinnlichere Lebensweise überzugehen. In der Bevölkerung waren erste Ansätze eines Verständnisses für bedrohte Natur und natürliche Lebensweisen zu spüren. Die Worte Umweltschutz und Ökologie waren häufig zu hören, besonders in Politikerreden. Dieser Trend, der zum größten Teil auch den Anschauungen unserer Imker entsprach, zeigte sich sehr deutlich, als Mülheimer Kleingartenvereine den Imkerverein baten, in verschiedenen Gartenanlagen Bienenvölker aufzustellen, um Bestäubung der Obstbäume und Beerensträucher zu verbessern. Diesen Wunsch hat der Verein gegen das Versprechen einer giftfreien Gartenbearbeitung gerne erfüllt.

Die jährlichen Jahresabschlussversammlungen mit Lehrfilmen und sonstiger Unterhaltung fanden auch bei Nichtimkern großen Zuspruch und mussten wegen des zahlreichen Besuchs in größere Säle verlegt werden. Die Monatsversammlungen fanden ab 1975 in der Saarner Dorfschenke statt, da der Schützenhof im Zuge neuer Verkehrsplanungen abgerissen wurde. Von der Stadt Mülheim wurde der Imkerverein im Jahre 1976 eingeladen, in den neu gegründeten Landschaftsbeirat ein ständiges Vollmitglied und einen Stellvertreter zu entsenden. Für den Verein eine ehrenvolle Anerkennung seines langjährigen Strebens für eine möglichst intakte Natur. Nach mehreren Jahren schlechter bis mittlerer Ernten brachte das Jahr 1976 endlich mal wieder ein gute Honigernte und zufriedene Imker. Kaum erwähnenswert dürfte die winzige EG-Subvention von Einwinterungszucker für zwei Jahre sein. Der Verein hatte jetzt 29 Mitglieder, der Altersdurchschnitt war bedeutend besser und die Kassenlage vollständig gesund.

In den Versammlungen tauchten jetzt Pläne auf , die man einige Jahre zuvor als hochfliegend und in bezug auf die bescheidene Kassenlage als völlig unmöglich bezeichnet hätte: Die Errichtung eines Lehr- und Vereinsbienenstandes möglichst auf städtischem Waldgelände. Kurzfristig war in dieser Hinsicht nicht viel zu unternehmen. Es galt eine günstige Gelegenheit abzuwarten, sobald das Interesse der Stadtoberen sicher war. So ging zunächst also die übliche Vereinsarbeit weiter. Im Jahre 1977 trat der Imkerverein dem „Verein für den Schutz der Waldameisen“ bei, da wissenschaftliche Forschungen und praktische Erfahrungen von Forstleuten den enormen Nutzen der Ameisen für die Gesunderhaltung des Waldes erwiesen hatten. Für die Imker könnte sich als Nebeneffekt bei einem mit Ameisen besetzten Wald eine bessere Waldtracht ergeben. Um praktische Erfahrungen in der Ameisenhege zu sammeln, haben einige Imkerkollegen mehrere Ameisenhügel im Saarner Wald in ihre Obhut genommen. Die Stadt Mülheim begann im gleichen Jahr mit der Aktion „Sauberes Mülheim“, bei der an einem Wochenende alle Grünanlagen und Waldungen im Stadtgebiet von Unrat gesäubert werden. Es war Ehrensache, dass der Verein sich sofort für die gute Sache zur Verfügung stellte und bis heute jedes Jahr ein Waldstück im Saarner Wald säubert.

Im Jahre 1978 traten auf den Ständen mehrerer Mitglieder Vergiftungsschäden, wahrscheinlich durch Pflanzenschutzmittel, bis zu Totalverlusten auf. Der Verursacher konnte leider nicht ermittelt werden. Die Versicherung entschädigte die Totalverluste.

Im November des gleichen Jahres veranstaltete der Kreisverband „Westliche Ruhrgroßstädte“ unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Suermann eine Naturschutztagung in Mülheim, bei der der Imkerverein Mülheim die Organisation übernahm. Die Stadt stellte uns die schöne Aula des Gymnasiums Broich zur Verfügung. Als Redner hatte der Kreisverband den Bienenwissenschaftler Dr. Bretschko aus Graz sowie den Dipl.-Landwirt Heinz Erwen, bekannt durch sein „Paradies“, gewonnen. Die gut besuchte Veranstaltung wurde vom Mülheimer Oberbürgermeister aus dem Siepen eröffnet und fand in der Fach- und Tagespresse ein gutes Echo.

Im übrigen war das Jahr in Bezug auf Imkerei ein sehr schlechtes Jahr. Aber die folgenschwerste Nachricht kam Anfang des nächsten Jahres zu uns: Die Varroamilbe, die schon in den anderen Bundesländern auf den Bienenständen gewütet hatte, tauchte jetzt auch im nördlichen Rheinland auf. Notgedrungen begann der Verein, sich mit der zusätzlichen Schulung der Mitglieder und vor allem der Seuchenwarte sowie der Planung von geeigneten Gegenmaßnahmen auf die Bedrohung einzustellen. Das Thema Varroa beherrschte jede Versammlung und noch war kein wirksames und gleichzeitig bienenschonendes Bekämpfungsmittel bekannt. Das waren deprimierende Aussichten für die Imkerei.

Andererseits ließen sich Vorstand und Mitglieder nicht in ihren Zukunftsplänen irritieren. Als ein Waldgrundstück in Saarn mit günstigen Bedingungen zur Benutzung als Vereinsbienenstand angeboten wurde, griff der Verein sofort zu. Eine gebrauchte Baracke als Grundstock konnte erworben werden und der Bau wurde umgehend in Angriff genommen. Nebenher brachte der Vorstand die Vereinssatzung auf den neuesten Stand, um die Eintragung ins Vereinsregister beim Amtsgericht zu beantragen. Die Eintragung des Vereins, der jetzt mit 37 Mitgliedern mit zusammen etwa 200 Völkern hatte, erfolgte 1980 fast gleichzeitig mit der Fertigstellung des Vereinsbienenstandes., der sofort mit einigen Völkern besetzt wurde. Dank eines großzügigen Zuschusses zu den Baukosten durch die Stadtverwaltung konnten dann auch sofort die Planierung der Umgebung und die Bepflanzung mit Bienengehölzen und Trachtpflanzen vorgenommen werden. Alle Bau– und Pflanzarbeiten wurden in Eigenarbeit von einem großen Teil der Mitglieder durchgeführt, die dafür viele Stunden ihrer Freizeit opferten.

Aber auch auf anderen Gebieten war der Verein aktiv. Drei Kollegen ließen sich bei der Stadtbildstelle als Schmalfilmvorführer ausbilden, so dass der Verein in der Lage war, die vom DEB ausgeliehenen Lehr- und Weiterbildungsfilme in den Versammlungen selbst vorzuführen. Andere Mitglieder betreuten in mehreren Jahren Jugendgruppen im Rahmen der „Jugendferienspiele der Stadt Mülheim“ und führten sie in die Anfangsgründe der Imkerei ein. Wichtig waren außerdem die Kontakte des Vereins zum städtischen Grünflächenamt, damit bei Neuanpflanzungen möglichst viele Bienentrachtpflanzen berücksichtigt würden. Die Jahresabschlussversammlung fand 1981 im Saal der Mülheimer Rudergesellschaft statt und hatte 60 Besucher.

Die Wintergemüll-Untersuchung durch die vier Sachverständigen des Vereins wurden ab 1982 zur absoluten Pflicht für jeden Imker, brachte aber zunächst noch keinen Varroabefund. Im gleichen Jahr hatte die EG noch einmal ihr Herz für die Imker entdeckt und spendete einen Zuschuss von ganzen 2,83 DM je Volk. 1983 war die Varroa bis nach Düsseldorf-Lohausen und Oberhausen vorgedrungen. In Anbetracht der Gefahr wurden die Sachverständigen in den erweiterten Vorstand berufen. Außerdem schaltete sich jetzt das städtischen Veterinäramt ein, damit die Anweisungen der Viehseuchenverordnung vom 21.04.83 strengstens befolgt würden. Aber auch 1984 und 1985 waren die Untersuchungsergebnisse in Mülheim noch negativ, während alle Nachbarbezirke und -städte schon Varroabefall gemeldet hatten. Der Mülheimer Verein mit seinen 35 Mitgliedern und zusammen 265 Völkern stand noch wie eine einsame Insel im Meer. Jedoch gab sich keiner der Illusion hin, den Vormarsch der Varroa aufhalten zu können, und so wurden vorsorglich größere Mengen Ameisensäure beschafft, die damals als einziges Bekämpfungsmittel bekannt war.

An einem Herbstnachmittag besuchte der Verein die Imkerschule Noichl in Gelsenkirchen-Buer zwecks Vorführung einer Varroabehandlung. Hier sah man zum ersten Mal die gefährlichen Parasiten in so großen Mengen, dass einem Angst und Bange werden konnte. Andererseits machte der Verein 1985 noch einmal große Anstrengungen zur Blutauffrischung und Zuchtverbesserung der Carnika-Biene, indem jedem Mitglied eine anerkannte Zuchtkönigin aus Mitteln der Vereinskasse beschafft wurde. Zweifellos hat diese Aktion viel zur Leistungssteigerung und Sanftmut der heutigen Bienen beigetragen.

Als im Frühjahr 1986 das Ergebnis der Gemülluntersuchung positiv war, wurde auch Mülheim zum Sperrgebiet und unterlag der Kontrolle der Amtstierärzte. Perizin als erstes gezielt entwickeltes Varroa-Bekämpfungsmittel kam auf den Markt. In Mülheim wurde aber zunächst die hervorragende Ameisensäure zur Bekämpfung benutzt. Mit den entstehenden Mehrkosten und der nicht unerheblichen Mehrarbeit fanden sich die Mitglieder erstaunlich schnell ab, da die Rettung der Bienenvölker zunächst alle anderen Gedanken verdrängte. Übrigens ergaben die im gleichen Jahr vom DIB veranlassten Honiguntersuchungen wegen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Radioaktivitätswerte weit unter den Grenzwerten.
Im Jahre 1987 stellte sich der größte Teil des Vorstandes aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr zur Neuwahl, so dass eine weitgehende Verjüngung stattfand, wie Imker sie bei ihren Völkern jährlich durchführen. Das neue Vereinslokal wurde „Haus Oemberg“ in Saarn, In den nun folgenden Jahren verlief das Vereinsleben in verhältnismäßig ruhigen Bahnen. Die Varroatose wurde 1988 aus dem Viehseuchengesetz herausgenommen. Ab sofort war wieder jeder selbst für eine ausreichende Bekämpfung verantwortlich. Ab 01 Jan. 1989 trat dann die neue Bienenseuchenverordnung in Kraft. Nach einigen schlimmen Zusammenbrüchen und Verlusten von Völkern hatten die Imker des Vereins etwa ab 1989 die Varroatose auf ihren Ständen ziemlich im Griff. Da der Parasit nicht restlos auszurotten war, hatte man gelernt, mit ihm zu leben.

Inzwischen standen drei amtlich zugelassene Bekämpfungsmittel zur Verfügung., die gute Wirkung zeigten, bei denen aber auch einige Auflagen streng zu beachten waren, so dass letztendlich der Imker im Jahresdurchschnitt einige Stunden mehr am Bienenstand zu hantieren hatte, und dies sehr oft zu Zeiten, in welchen früher absolute Ruhe bei den Bienen herrschen sollte.

Zum Ausgleich bescherte uns die Natur Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre einige sehr gute vom Wetter begünstigte Trachten, bei denen die Bienen zeigten, was sie wirklich können. Es wurden Ernten eingefahren, die man noch vor einigen Jahren für unmöglich gehalten hat, und die man bisher nur vom Hörensagen aus tropischen oder subtropischen Gebieten kannte. Es war u. a. eine Bestätigung der konsequenten Auslese in der Zucht in den letzten Jahren.

Im Jahre 1990 wurde der Vorstand auf einigen Positionen neu gewählt. Er bildete ein gute Mischung aus jugendlichem Elan und Altersweisheit. Dieser Vorstand begann seine Amtszeit mit der Gewißheit, die wohl größte Herausforderung, die je auf den Verein zugekommen war, bewältigen zu müssen, die Beteiligung an der Landesgartenschau Mülheim 1992, kurz MÜGA genannt. Kleinere Ausstellungen in Schulen, bei Stadtteilfesten etc. hatte der Verein bereits arrangiert, aber in der MÜGA sollte ein Ausstellungsstand von April bis Oktober 1992 betreut und täglich besetzt werden, um Besucher zu empfangen, zu führen und Erklärungen zu den Ausstellungsstücken zu geben. Andererseits bedeutete die Ausstellung eine einmalige Gelegenheit zur Selbstdarstellung der Imkerei allgemein und zur Verbesserung des Ansehens in der Öffentlichkeit. Trotz der zu erwartenden Schwierigkeiten gab der Vorstand mit mehrheitlicher Zustimmung der Mitglieder der Stadt Mülheim die Zusage, in der MÜGA mitzuwirken, als 1990 die offizielle Anfrage eintraf.

Rückblickend kann gesagt werden, dass der Imkerausstellungsstand nicht nur ein Riesenerfolg innerhalb der Gesamtschau war, sondern dass die Aktivität der Mitglieder im Rahmen der Ausstellung ein vorher kaum gekanntes Zusammengehörigkeitsgefühl hervorbrachte, das die enormen Leistungen erklärt. Natürlich war es nicht einfach, über ein halbes Jahr täglich für acht Stunden eine Standbesetzung zu stellen, bei insgesamt 37 Vereinsmitgliedern, von denen die Mehrheit noch berufstätig war. Aber Rentner und Pensionäre standen an den Werktagen immer zur Verfügung, so dass nie ein Besucher vor verschlossener Tür stand. Auch die Beschaffung der Exponate war bei den bescheidenen Mitteln der Vereinskasse nicht ohne Schwierigkeit. Ein Teil war Eigentum der Mitglieder, größere Geräte und Schautafeln konnten ausgeliehen werden und ein weiterer Teil wurde in Eigenarbeit angefertigt. Das Wichtigste für die Besucher schienen die besetzten Beuten in der Blockhütte zu sein, darunter ein Glasmagazin, sowie im Freigelände ein Heidestand mit Strohkörben, ein starkes Kunstoffmagazin-Volk, eine mit einem Schwarm besetzte ca. 2 m hohe Klotzbeute, ein Einwabenschaukasten mit gezeichneter Königin sowie mehrere Einwaben-Begattungskästchen.

Bei herrlichem Sommerwetter war nicht nur an den Fluglöchern reges Leben und Treiben, sondern in unserer Bienenhütte drängelten sich manchmal so viele Besucher, dass unsere Standbesetzung mit dem Beantworten der vielen Fragen kaum nachkam. Es war eine gelungene Werbung für unsere Bienen und deren Erzeugnisse sowie für uns Imker und unsere schöne, manchmal nicht ganz leichte Arbeit.

Mit diesem Höhepunkt im bisherigen Leben unseres nunmehr 107 Jahre alten Vereins soll die Chronik schließen. Es sind in den vorausgegangen Zeilen einige Namen genannt worden, die für das Überleben des Vereins von Bedeutung waren. Der Gerechtigkeit halber müssten aber noch viel mehr Personen erwähnt werden, die sich um das Wohl des Vereins verdient gemacht haben. Jeder Verein lebt aber von seinen vielen aktiven ungenannten Mitgliedern, uns so wollen wir es wie unsere Bienen halten: Jahraus, jahrein erfüllen sie ihre Aufgaben in der Natur ohne großes Aufsehen geschweige denn Lob zu ernten.

In eigener Sache wäre noch nachzutragen, dass ich mich als Laienschreiber bemüht habe, die Geschichte des Mülheimer Imkervereins objektiv nachzuzeichnen. Da ich aber seit 40 Jahren, davon 25 Jahre als Schriftführer, mit dem Verein verbunden bin, bitte ich, mir etwaige aus den Zeilen zu spürende Emotionen nachzusehen.
Zum Schluss bleibt der Wunsch, dass der Imkerverein Mülheim an der Ruhr e. V. allzeit von einem aktiven und weisen Vorstand geführt, mit zufriedenen Mitgliedern und starken Bienenvölkern in das nächste Jahrtausend gehen möge.

Im März 1993, Heinrich Keienburg

Heinrich Keienburg zählte zu den Urgesteinen des Imkervereins Mülheim an der Ruhr e. V. und war Ehrenmitglied. Wir bedanken uns für seine tatkräftige Unterstützung in den vergangen Jahren und die mühevolle Erstellung der Vereinschronik. Mit seiner Erlaubnis veröffentlichen wir die Chronik nun auf unserer Internetseite und möchten sie so Interessierten zugänglich machen.

Das Original befindet sich im Stadtarchiv und ist dort im Findbuch unter der Nummer 3006/13/7 registriert. Es kann dort eingesehen werden; beim Verein liegt es zudem in digitalisierter Form vor.